3.
Nachdem sie eine Woche lang gemault und ihre Wunden geleckt hatte, redete Lila wieder mit Robbie. Zwar geriet das Reden eher zum Streit. Doch zumindest sprachen sie wieder miteinander.
»Ich bin noch nie in meinem Leben so gedemütigt worden«, keifte Lila.
»Doch. Daran willst du dich nur nicht mehr erinnern.«
Lila kniff die schönen Augen zusammen. »Am liebsten würde ich dich umbringen. Du spielst dich auf, als würdest du alle Welt kennen und könntest mir Türen öffnen. Daß ich nicht lache! George Getz und ein Rausschmiß bei Ara Sagarian. Mehr ist bei dir nicht drin.«
»Reg dich ab, Lila«, befahl Robbie scharf. »Woher sollte ich wissen, daß Ara Theresa anrufen würde? Außerdem habe ich dir nicht gesagt, daß du lügen sollst. Damit hast du dir selbst alles verdorben. Er hätte dich vielleicht genommen, wenn du ehrlich gewesen wärst. Mein Rat war gut.«
»Klar, gib auch noch mir die Schuld. Du hattest diesen Plan ausgeheckt. Ein saudummer Plan. Meine Mutter ist noch immer Aras Liebling. Du bist nur ein fetter Gestriger. Besser gesagt ein Niemand. Du warst auch niemals einer der zählt. Du hängst dich nur an die Berühmten. Wie an meine Mutter.« Plötzlich beschlich sie ein schlimmer Verdacht. »Du triffst sie doch noch immer.« Hatte Robbie das alles mit der Puppenmutter abgesprochen? Hatte Lila auflaufen sollen? Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken.
»Lila, ich treffe deine Mutter, weil wir befreundet sind und sie mich braucht. Du brauchst mich auch.«
»Ich brauche niemanden«, brauste Lila auf.
Ken kam ins Wohnzimmer. Er verzog leidend seine Miene. »Könnt ihr beiden nicht endlich mit der Streiterei aufhören?«
Ohne auf Ken zu achten, fuhr Robbie fort. »Mir ist da ein Gedanke gekommen. Vergessen wir Agenten für den Augenblick. Konzentrieren wir uns auf deine Rolle. Die richtige Rolle. Erst dann suchst du dir den Agenten aus. Und wenn es Ara Sagarian ist.«
»Eines Tages wird er sich vor mir im Dreck winden wie ein Wurm«, versprach Lila rachsüchtig.
»Vielleicht schaffst du es nächste Woche. Momentan kann er kaum laufen«, witzelte Ken.
Robbie machte eine Bewegung, als sei Ken für ihn nur ein lästiges Insekt. »Ich will Lila im Fernsehen auf den Weg bringen. Das eine oder andere werden wir schon auftreiben können.« Und zu seinem Liebhaber gewandt: »Sag ihr, sie soll mir zuhören, Ken. Im Fernsehen wird sie am schnellsten bekannt. Aber sie steht auf dem Standpunkt, daß echte Stars keine Fernsehrollen übernehmen. Leider ist sie noch kein Star.«
Lila durchbohrte Robbie mit den Blicken. Da mischte Ken sich tatsächlich ein. »Warum denn nicht, Lila? Wenn Marty DiGennaro zum Fernsehen überwechselt, warum nicht auch du?«
»Marty DiGennaro macht kein Fernsehen«, stellte Lila fest. »Jetzt schon«, erwiderte Ken ungerührt.
»Marty DiGennaro und eine Fernsehshow?« wollte nun auch Robbie wissen.
Ken nickte.
»Woher weißt du das?« fragte Lila.
»Ihr seid offenbar nicht auf dem laufenden. Das Variety brachte letzten Monat ein Interview mit ihm, in dem er das Fernsehen als ein völlig neues Medium beschreibt. Seine Vision läuft darauf hinaus, daß das Fernsehen seit der Revolutionierung durch das Kabel aufregender geworden ist als der Film und mehr kreative Möglichkeiten bietet.«
»Warum sollte ein Top-Filmproduzent beim Fernsehen mitmischen wollen?« fragte Lila.
»Frag mich was Leichteres. Aber er ist auf dem besten Weg dazu. Das ist Fakt. Er steht in Verhandlung mit einem Sender. Und Marty DiGennaro hat ein Gespür für den Puls der Zeit.«
»Mein Gott, mit dem würde ich gern arbeiten«, seufzte Lila.
»Hat er schon eine Show? Drehbücher, Schauspieler?« fragte Robbie.
»Muß er wohl haben. Sie stellen schon die Technikercrew zusammen. Er hat mich angesprochen.«
»Marty DiGennaro hat dich gefragt?«
»Nicht persönlich. Sein Assistent.«
»Donnerwetter!« Robbie pfiff leise. Er sah Lila an. Ein vielsagender Blick, der ausdrücken solle: Hab ich's dir nicht gesagt? Dann legte er sich auf das Sofa und zog den breitrandigen Hut über seine Augen. »Ich habe nichts weiter zu sagen. Offenbar hat der fette Gestrige ohne Beziehungen doch noch nicht völlig den Überblick verloren.« Er rührte sich nicht, bis ihm Lila leid tat. »Vielleicht können wir dich noch einschleusen. Durch Paul Grasso oder Dino oder einen seiner anderen italienischen Landsleute.«
Lila sagte zunächst nichts. »Was ich dafür geben würde, mal mit dem zu arbeiten«, wiederholte sie schließlich ehrfürchtig.
»Worum geht's in der Show denn?« fragte Robbie.
»Alles streng geheim. Man munkelt von drei Mädchen, die per Anhalter durch die Staaten trampen.«
Unwillkürlich dachte Lila an Skinny und Candy.
Paul Grasso überflog die rosafarbenen Notizzettel auf seinem Schreibtisch. Demnach hatten vorwiegend Gläubiger angerufen. Wie üblich. Nur eine Nachricht fiel aus dem Rahmen. Sie stammte von Robbie Lymon. Paul fragte sich, was die alte, schwule Königin wohl von ihm wollte. Ohne Zweifel einen Gefallen.
Eine übergewichtige Frau in offenen, hochhackigen Sandalen stand im Türrahmen zu Grassos Besprechungszimmer. Sie wirkte nervös. »Sie ist auf der Toilette«, erklärte sie Paul, und der nickte gelangweilt. Ihm fiel der perlmuttfarbene Lack auf dem großen Zeh der Frau auf. Der Lack verdeckte nur unvollkommen den gelben, verhornten Nagel und den deutlich sichtbaren schwarzen Rand unter dem Nagel. Paul schauderte. Was für eine Sau! Doch er hatte das Mädchen gesehen, und sie war wirklich ein Schätzchen. Vielleicht die Lösung seiner Probleme. Er sah seinen Kunden A. Joel Grossman an.
»Die wird Ihnen gefallen. Sie hat etwas Besonderes.« Paul sprach nicht aus, daß sich das auf einen perfekten Hintern und den flachsten Bauch von Los Angeles bezog, starke Titten, ein passables Gesicht. Für die Verhältnisse in L.A. sicher nur Durchschnitt. Doch bei einer Jeanswerbung ohne Nahaufnahme kam es nur auf den Po an. Dafür taugte die. Leider war das kleine Luder erst fünfzehn. Vielleicht sogar jünger. Die Mutter besaß angeblich die Geburtsurkunde. Doch Paul kannte diese Leier schon. Das stimmte nie. War sie noch minderjährig, bekam er alle nur erdenklichen Schwierigkeiten mit dem Jugendamt. Nun, für diese Werbung lohnte das Risiko womöglich. Alles war ihm lieber, als noch länger diesen A. Joel Grossman zu ertragen. Zudem würde der Auftrag sein Konto auffüllen, das so eine Geldspritze dringend brauchte.
Das Mädchen kam herein. Es ließ den Kopf hängen. Eine lausige Haltung. Doch Paul fiel wieder der tadellose Hintern auf, die langen Beine, die hübschen Titten. Wespentaille. Er betete, daß sie wenigstens vierzehn war. Sein Kunde schwieg.
»Kann ich sie mal im rechten Profil haben?« Das Mädchen drehte sich. Ihr Haar, mittelbraun, verdeckte das Gesicht.
»Adrienne, schau mal hierher!« Das Mädchen gehorchte wortlos.
»Mrs. Godowski, ich muß Adrienne bitten, ihr T-Shirt und die Hosen auszuziehen«, teilte Paul Grasso der Mutter mit.
»Sie wird alles tun, was sie von ihr wollen, Mr. Grasso«, sagte die Frau glatt. »Du hast gehört, was der Mann gesagt hat, Adrienne.«
Reizend, diese Mrs. Godowski, und so mütterlich, dachte Paul spöttisch, während Adrienne sich auszog. Sie trug einen roten Spitzen-BH, der ihre Brüste wie Grapefruits auf einem Teller präsentierte. Grasso sah zu seinem Kunden. Soweit schien alles in Ordnung zu sein.
Die weißen, enganliegenden Jeans fielen. Adrienne hatte Mühe, sich herauszuwinden und machte es ohne Grazie. Doch der Reißverschluß verfing sich in ihrem Slip, der mit der Hose zu Boden glitt. Das schien Adrienne nicht zu stören. Sie hatte wunderbare Haut. Keine Falte verdarb die Perfektion ihrer Kehrseite, ihre Hüften oder ihres Bauchs. So konnte man Jeans an den Mann bringen.
Das Mädchen sah die beiden Männer stumpf an. Paul Grasso wandte sich erwartungsvoll an seinen Kunden. »Zu alt«, erklärte der.